Journalistischer Jahresrückblick

Prost Neujahr an alle 🙂 Die letzten 3 Wochen habe ich eine ausufernde Reise and die Südküste Afrikas unternommen. Dabei sind wir immer mit dem Bus gefahren, dementsprechend viel Zeit hatte ich über mein Leben nachzudenken. Zusammen mit der  Endzeitstimmung von 2022 ist dann dieser Rückblick entstanden, mit den Tops und Flops diesen Jahres. Die drei Rankings beginnen mit meiner Reise nach Namibia im Mai, ein ganz klares Highlight. Ganz generell ist Namibia für mich ein Land der großen Vielfalt und ich erlebe meinen Alltag als Gratwanderung zwischen den verschiedenen Gegensätzen. Mein Leben hier findet zwischen Wüste und Meer, Stadt und Land, arm und reich, Tradition und Verwestlichung und den 10 Tribes von Namibia statt. Ich hoffe ich kann zumindest einen kleinen Eindruck davon durch meinen Blog und diese Rankings vermitteln.  Die erste Kategorie sind Erfahrungen, Erkenntnisse und absurde Situationen, die mich zum Nachdenken gebracht haben, es aber bis jetzt nicht in den Blog geschafft haben.

Als die Sonne senkrecht stand, erkennbar am ganz schmalen schatten des Schildes.

Bereichernde Beobachtungen

Platz 6: Duschen ist überbewertet. 

Die Duschinfrastruktur, zumindest bei uns in der Wohnung und bei allen, die in der Stadt wohnen, ist so ausgezeichnet wie in Deutschland. Wir mussten zwar erstmal lernen, dass man Warmwasser per Schalter 30 Minuten vor dem Badespaß anschalten muss, aber das klappt jetzt. Trotzdem dusche ich nur noch einmal pro Woche. Ich glaube es hat so angefangen, dass ich auf der Arbeit jeden Tag immer dreckig werde mit Kettenfett, Metallspähnen und sonstigem und sich es dann einfach nicht lohnt sich zu waschen mit der Aussicht gleich wieder ein Dreckspatz zu sein. Generell gibt es in Namibia glaube ich einfach mehr Dreck, Staub und Schwitzen, einfach weil es in der Wüste ist. Wegen miesen Mief hat sich allerdings noch keiner beschwert, also bleibe ich bei der gelegentlichen Katzenwäsche und dem freitäglichen Duschen. 

Platz 5: Furiose Fahrradcommunity.

Das Fahrrad in Namibia hat keine große Lobby, der Fokus liegt klar auf dem Auto. Es gibt zwei Fahrradstreifen in ganz Windhoek und dementsprechend wenige Radler. Die Gemeinschaft ist aber umso größer. Auf der Straße winkt man allen Fahrradkollegen zu, jeden zweiten Samstag gibt es eine Gruppenfahrt durch Windhoek und die Fahrradstaffel der Polizei gibt es auch noch. Man kennt sich und unterstützt sich. Und das glaube ich erlebt jeder so, nicht nur ich, der im Mobility Start Up arbeitet, das mit seinem Lieferdienst alleine geschätzt für 50% aller Radfahrten verantwortlich ist.

Platz 4: Wetter. 

Ich hatte definitiv ein sehr naives Bild von Namibia, das hat sich auch beim Wetter gezeigt. Für mich war es klar, immer 30 Grad und Sonnenschein. Das hat mich dann kalt erwischt, als ich ohne Jacke, Handschuhe und Mütze, bei Minusgraden zur Arbeit fahren musste. Tagsüber scheint schon meistens die Sonne und es wird wärmer, im Winter wird es nachts aber schon auch sehr kalt. Der Sommer (besonders der Dezember) hatte dann die nächste Überraschung parat. Es hagelt, gewittert und hat Sturzregen in Windhoek. 

Platz 3: Immenser Schnürsenkel Verschleiß.

Aus Gründen, die ich noch nicht nachvollziehen konnte, reißen meine Schnürsenkel dauernd. Etwas, das mir vorher noch nie passiert ist und, wenn man abergläubisch ist, ein schlechtes Omen bedeutet. Meine Glückssträhne ist zumindest noch nicht abgerissen und die Lösung ist wohl alle paar Wochen die Schnürsenkel zu ersetzen. 

Platz 2: Schneidersitz Schikane. 

Oft und gerne beobachte ich, wie Menschen hier ihr Leben auf eine ganz andere Weise Leben und selbstverständlich Dinge Tun, über die ich so noch nie nachgedacht habe. Umso mehr freue ich mich, wenn ich ganz ohne Nachzudenken was mache auf meine eigene Weise. Mein Lieblingskollegen Thomas hat dann letztens angesprochen, dass er es witzig findet, wie ich und mein deutscher Boss Bernhard dasitzen. Im Schneidersitz. Ich finde das einfach bequem, Thomas sitzt lieber auf seinen Knien oder hockt. 

Platz 1: WM Weitsicht. 

Fußball beschäftigt hier viele. Viele spielen selbst und schauen gerne Fußball, auch Champions-league und so. Die WM war dann auch großes Thema. Der Erfolg von Marokko wurde richtig gefeiert in Namibia, weil „Afrika“ so weit gekommen ist. Auch wenn Marokko näher an Deutschland ist als an Namibia. Aber viele identifizieren sich nicht nur sehr mit ihrem Tribe oder Namibia, sondern auch mit Afrika. Viele sind sehr stolz darauf Afrikaner zu sein und zeigen das auch. 

Als Gabby, eine Kollegin, ihren Lieblingswitz erzählt hat.

Mit der nächsten Kategorie geht es steil bergab. Die ein oder andere böse Überraschung gab es auch 2022. Generell war 2022 ein gutes Jahr für mich, das definitiv sehr positiv in Erinnerung bleibt. Trotzdem haben mich manche Sachen angekotzt und ehrlich gesagt konnte ich nicht allen in der folgenden Liste etwas gutes abgewinnen oder daraus lernen.

Die Flops des Jahres:

Platz 6: Französisches Filmfestival.

Einmal pro Monat wird im französischen Institut, das nur 200 Meter von unserer Wohnung entfernt ist, ein Film gezeigt. Es gibt kostenlos Popcorn, der Film ist auf französisch mit englischen Untertiteln. Aber genau an dem Tag, als wir uns mal kulturell fortbilden wollten, haben die nicht funktioniert. Das kam aber erst raus als wir schon drin saßen und das Popcorn aufgemacht hatten. Also haben wir die 3 Stunden einen Film geschaut und nichts verstanden. Außerdem war das Popcorn eher nur mittelmäßig. 

Platz 5: feministische Fischsuppe.

Ganz am Anfang als wir noch im Guesthouse ohne eigene Wohnung lebten, haben uns andere Gäste zum Abendessen eingeladen. Sie hatten gerade einen Parteitag von ihrer Partei NEFF, die sich öffentlich homophob äußert. Es gab traditionelle Fischsuppe, die mir persönlich garnicht zugesagt hat. Vor dem Essen haben wir 40 Minuten gebetet und gesungen. Und das nur um die Zeit zu überbrücken, bis Damaris, als einzige Frau, endlich in die Pötte kommt und Essen verteilt, weil das ist ja auf jeden Fall eine Aufgabe für die Frau im Haus. Definitiv ein Einblick in die stark konservative Bubble Namibias, die Partei stellt gerade 2 von 96 Sitzen in der Nationalversammlung. 

Platz 4: Wäsche waschen.

Wie vorhin schon festgestellt bin ich hier zwecks Arbeit immens viel Dreck ausgesetzt. Zusätzlich ist mein Sonnencremeverbrauch auch erhöht und verursacht viele Flecken auf meinen Klamotten. Ungünstig, dass unsere Wohnung keine Waschmaschine hat. Also wird alles per Hand in der Badewanne gewaschen. So richtig weiß sind meine Klamotten nicht mehr. Aber ich habe auf jeden Fall gelernt strikt in Arbeits-, Ausgeh- und Zuhause- Klamotten zu trennen, um Dreckwäsche zu minimieren. 

Platz 3: Meine Tanzkünste. 

In meinem Alltag hier bin ich viel mehr Tanzen und Musik ausgesetzt als jemals zuvor. Und Menschen in meinen Umfeld hier können auch extrem gut tanzen und haben ein sehr gut ausgeprägtes Körpergefühl. Den ein oder anderen Move wurde mir auch schon versucht beizubringen, aber ich fürchte ich brauche da professionelle Hilfe. 

Platz 2: Fahrraddiebstahl.

Die Geschehnisse rund um meinen Fahrraddiebstahl wurden hier ja lang und breit geschildert, ich möchte jetzt keine alten Wunden aufreißen. Aber immerhin mit Happy End, das Fahrrad ist ja wieder da!

Platz 1: Wasserschaden.

Generell geht es wenig feucht in Windhoek zu, bei dem letzten Starkregen vor Weihnachten kamen allerdings 20% des Jahresniederschlages innerhalb von weniger Stunden runter. Das hat dann so geendet, dass 5cm Wasser in allen Räumen unserer Wohnung standen, inklusive Matsch. Nach 2 Tagen Putzen und Aufräumen war dann alles wieder im Lot. Mehr Details gibt es im nächsten Blogeintrag ☺️.

Und jetzt zurück zu den schönen Seiten des Lebens. Mir ist es schwer gefallen hier einzelne Highlights herauszusuchen. Ich bin natürlich krass privilegiert, weil ich mir keine Sorgen um Geld für Essen, Wohnen, Lebensunterhalt oder sogar Reisen machen muss und niemals musste. Und weil ich weiß, dass ich ein super gutes, fürsorgliches, gesundes und sorgenfreies Umfeld habe und immer hatte. Allein schon deswegen, aber auch darüber hinaus ist die Grundstimmung aber einfach meistens positiv. Ein paar Highlights stachen aber besonders hervor oder sind mir spontan eingefallen. 

Symbolbild Freunde finden.

Die Tops des Jahres:

Platz 5: Sinnvoller Sonnenschutz.

In einem Gespräch mit meiner Chefin hat sie sich gewundert, dass ich jetzt schon so lange da bin und immernoch nicht braun. Ich habe das als das größte Kompliment wahrgenommen. Ich bin nämlich sehr hinterher mich vor der gefährlichen und extremen UV-Belastung zu schützen. Letztens stand die Sonne nämlich senkrecht und man merkt richtig, wie sie auf die Haut knallt. Deswegen creme ich mich grundsätzlich ein, trage nur lange Klamotten und Hut und suche immer Schatten. Offensichtlich erfolgreich!

Platz 4: Bei der Dragnight erkannt werden. 

Die Dragnight ist ja wirklich ein monatlicher Begleiter geworden. Ein Wahnsinns Event und Safespace für queere Menschen in Namibia. Das Klientel ist dementsprechend hipp, cool und offen. Ein paar Gesichter kannte ich dort von Anfang an, aber als ich an der Kasse erkannt wurde ist mein Herz wirklich weich geworden. 

Platz 3: Die ArbeitskollegInnen. 

Ich habe mich von Anfang an wohl gefühlt auf der Arbeit. Wichtig in Anbetracht, dass ich dort 9 Stunden am Tag bin aber auch nicht selbstverständlich. Die PraktikantInnen haben mich sofort aufgenommen und auch in Freizeitsachen mitgenommen, die anderen Kollegen haben auch immer nachgefragt, wie es mir geht, sind extrem rücksichtsvoll und herzlich. Es wurde sich auch viel Zeit genommen mir Sachen zu erklären oder Sprachen beizubringen, obwohl ich da leider ein hoffnungsloser Fall bin und nur wenig Fortschritte mache. Aber es wird viel gelacht, auch wenn es mal stressig ist, man kümmert sich umeinander und jeder gibt auf jeden Acht. Ehrlich, das Arbeitsumfeld ist 10/10 gut und ich sehr dankbar dafür. 

Platz 2: Rundreisen.

Ob mit der Familie oder über Weihnachten mit den Mitfreiwilligen. Die Reisen waren wirklich klasse. Und ich bin dankbar dafür, dass die Reisen immer vielversprechende Inhalte für den Blog liefern. Demnächst auch über den Trip nach Südafrika!

Platz 1: Einen Wambo Spitznamen bekommen. 

Kontakte zu finden in Namibia ist nach meiner Erfahrung sehr leicht. Man kommt zufällig immer mit jemandem in ganz unverfängliche Gespräche, tauscht Nummern mit Menschen aus, mit denen man kurz gelacht hat und trifft sich dann vielleicht auch nochmal. So habe ich auch schnell Anschluss gefunden. Richtig angekommen und wirklich verbunden habe ich mich dann gefühlt, als ich einen Wambo-Spitznamen bekommen habe. Der ist nicht traditionell und hat auch keine tiefere Bedeutung, vergessen werde ich das trotzdem niemals. 

So schnell ging das Jahr auch rum und jetzt beginnt schon die letzte Phase meines Gapyears. Bis März werde ich arbeiten und danach wohl schweren Herzens Namibia verlassen. Der aktuelle Plan ist dann noch etwas zu reisen und pünktlich für die Ostereiersuche nach Deutschland zu kommen! Darauf freue ich mich natürlich auch schon riesig! Ich wünsche uns allen ein tolles Jahr 2023.

Ciaokelstuhl und Tschüssikowski!

Euer Limo Lukas

1 Kommentar

Schreibe einen Kommentar