Deutsche Kolonien und Postkolonialismus

In Geschichte habe ich in der Schule schon ein wenig über Kolonialisierung gelernt, vor allem aber, dass Frankreich viele Kolonie hatte, Großbritannien durch die Unterwerfung des halben Planeten eine Weltmacht wurde und Deutschland nur einen “Platz an der Sonne” gesucht hat und eigentlich viel zu spät angefangen hat, sich Kolonien zu nehmen. In der letzten Zeit konnte ich doch einiges über Deutschlands Kolonialzeit aufarbeiten und mein Weltbild etwas sensibilisieren in dieser Hinsicht. Es gibt immernoch viel zu lernen für mich, aber ich möchte meine Erkenntnisse, die ich bis jetzt hatte hier gerne festhalten.

Deutsche Kolonialgeschichte

Die Geschichte ist hochkomplex und vielschichtig. Der Kernzeitraum war 1890 bis zum Ende des 1. Weltkriegs mit dem Versailler Vertrag von 1919. Gewaltsam wurden zum Beispiel Gebiete des heutigen Namibias (“Deutsch Süd-West Afrika”) mit dem Genozid an den Herero und Nama erobert. Es gab unter anderem auch Eroberungen und Kämpfe im heutigen China, Ruanda, Tansania, Togo und Kongo.

Welt: Deutsche Lehnwörter in der Südsee

Das deutsche Kolonialreich war nach England, Frankreich und den Niederlanden das viertgrößte. Zu Hochzeiten lebten 25.000 Deutsche in den kolonialisierten Gebieten und 13 Millionen EinwohnerInnen, denen ihr Land gewaltsam genommen wurde. Rechtliche und soziale Privilegien gab es nur für die weißen Deutschen, die die ursprüngliche Bevölkerung unterwarfen. 

Ein großes Ziel war die Missionierung der “Unzivilisierten”, weil nicht christlichen Bevölkerung. Die indigenen Gesellschaften hatten meist in Subsistenzwirtschaft gelebt, was die Deutschen Kolonialherren dann als Faulheit deuteten, da kein Interesse bestand gegen Bezahlung auf Farmen zu arbeiten. Die Folge waren Zwangsarbeit, Sklaverei und Körperstrafen.

Wenn man von ‘Versklavten’ statt von ‘Sklaven’ spricht, wird klarer, dass es sich um brutale Unterwerfung von Menschen handelt und man nicht als Sklave geboren wird

sensible Sprache

Die Handelsbilanz für den Staat war insgesamt negativ, aber private Unternehmen profitierten sehr und auch noch heute. EDEKA ging aus der 

Einkaufsgenossenschaften der deutschen Kolonialwarenhändler hervor und beispielsweise Schokolade („Sarotti Mohr“) war ein Luxusgut aus den Kolonien. Gerade hier gibt es heute noch strukturelle Ausbeutung und Profiteure im globalen Westen, die Gewinne ohne Rücksicht einstauben. In Namibia gibt es die Debatte zur Landfrage. Die Besitzverhältnisse aus der Kolonialzeit gelten nämlich noch heute. Durch Deutsche weggenommenes Land gehört immernoch deren Nachfahren. Und somit ist den Einheimischen die Lebensgrundlage nicht nur genommen worden sondern immernoch verwehrt. Es wird viel über die Rückgabe und Wiedergutmachung diskutiert, verändert hat sich noch nicht viel. Wahrscheinlich auch wegen des immensen Einflusses, den die weiße Minderheit in Namibia hat.

2% der Bevölkerung in Namibia sind weiß. Dieser Minderheit gehören 70% des Farmlandes. Der Großteil dieses Privatbesitzes wurde zur Kolonialzeit geklaut“

Werte aus Deutsche Welle: „Namibia, wem gehört das Land?“

Die Verbrechen, die an indigenen Bevölkerungen begangen wurden und der Raub an Land, Kunst und Rohstoffen sowie die Zerstörung funktionierender Kulturen und Gesellschaften gerät aber in Vergessenheit. Meine persönliche Erfahrung in Namibia bis jetzt ist, dass es für Deutschland nur ein kleines Kapitel in der Geschichte ist, für die Betroffenen aber ein aktuelles und großes Thema ist. Das als kurzer Abriss der Geschichte und jetzt zu den heutigen Folgen des Kolonialismus.

Postkolonialismus

….versucht ein Bewusstsein für die Folgen des Kolonialismus zu schaffen und Strukturen aufzuzeigen und zu kritisieren, die bis heute fortgeführt werden. 

Das Konzept von Postkolonialismus baut darauf auf, dass es keine entwickelten und unterentwickelten Staaten gibt. Zum einen weil die Welt nicht schwarz weiß ist und die Einteilung irgendwie eine große Lücke zwischen den Menschen der westlichen Welt, die sich selbst an der Spitze sehen, und allen anderen schafft. Diese Lücke gibt es aber nicht und die „Überlegenheit“ sorgt für ganz viele Probleme. Zum anderen kann man Entwicklung auch nicht messen, die Indikatoren pro Kopf Einkommen, Lebenserwartung und Schulbildung sind  z.B. irreführend. Eine „gute Gesellschaft“, die man erreichen möchte, kann ja auch ganz andere Kriterien haben, wie soziale Gleichheit, nachhaltige Lebensweise oder mentale Gesundheit. In denen der Westen auch hinterherhängt. 

“Der Westen ist auf keinen Fall ein Vorbild, und andere Lebensmodelle und Gesellschaftsformen müssen akzeptiert und als gleichwertig angesehen werden.”

Keine Entwicklungszusammenarbeit ist meiner Meinung nach aber auch keine Lösung. Zum einen weil Armut, Krankheiten und Hunger in keiner Lebenswelt Alltag sein sollen. Aber auch weil eine geschichtliche Verantwortung besteht. Kolonialismus und europäisches Überlegenheitsdenken haben funktionierende Gesellschaften zerstört und das so, dass sie nicht wieder aufgebaut werden können und für immer verloren sind. Die Gefahr von Entwicklungszusammenarbeit und weitere Einmischung ist natürlich, dass es nicht unbedingt besser wird. Es gibt viele akademische Stimmen des globalen Südens die einen Rückzug der westlichen Entwicklungszusammenarbeit  fordern. Stattdessen wird eine gerechtes Machtverhältnis und die Abschaffung asymmetrischer Handelsbeziehungen gefordert. Zum Beispiel die Agrarsubventionen der EU, die lokale Märkte mit günstigen Produkten überschwemmen und so eine lokale Produktion und Wertschöpfung verhindern. 

1 Kommentar

Sehr interessante Fakten und Gedanken. Vor allem der Teil das funktionierende Gesellschaften (welche vermutlich 100te von Jahren funktioniert haben) unwiderruflich zerstört wurden, regt schon zum nachdenken an.

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